Der Immobilienmarkt im Jahr der Bewährung

Der Immobilienmarkt im Jahr der Bewährung

Credit Suisse Economic Research (Text und Grafik), Gerald Brandstätter (Redaktion)
 

Die Immobilienmärkte präsentieren sich trotz der schwierigen Wirtschaftslage auch 2010 recht stabil; die Schweiz hat die Lehren aus der Immobilienkrise der Neunzigerjahre gezogen. Besonders die Wohnimmobilienmärkte können sich dank intaktem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage der Krise weiterhin entziehen. Schwieriger wird es für den zu ausgeprägten Zyklen neigenden Büroflächenmarkt. Der weiterhin schwachen Nachfrage steht eine hohe Flächenausweitung gegenüber. In diesem Marktumfeld trennt die Lage der Immobilien noch schärfer als sonst zwischen Gewinnern und Verlierern.


 

 

Weder die weltweite Rezession noch die einschneidenden Immobilien- krisen in verschiedenen Ländern ver- mochten den Schweizer Immobilien- markt zu destabilisieren. Besonders der Wohnungsmarkt hat sich bisher dank solidem Hypothekarkreditmarkt und zu- wanderungsbedingter hoher Nachfrage sehr stabil gezeigt. Nun steht ihm aber die Bewährung bevor, denn das laufende Jahr wird noch anspruchsvoller als 2009. Steigende Arbeitslosigkeit, stagnierende Einkommen, auslaufende Nachfrageim- pulse der Zuwanderung sowie das näher- rückende Ende der Tiefzinsphase sind nur einige der anstehenden Herausfor- derungen. Das Einfamilienhaus-Segment sowie Neubaumieten dürften im verän- derten Marktumfeld am stärksten unter Druck geraten, zumal die Bautätigkeit für neue Wohnungen noch immer auf vollen Touren läuft. Insgesamt werden leicht steigende Leerstände und moderate Preisrückgänge den Wohnflächenmarkt 2010 charakterisieren. Die Ökonomen der Credit Suisse gehen jedoch davon aus, dass die Entwicklung in geordneten Bahnen verlaufen wird, da die weiterhin rückläufige Zahl von Baugesuchen eine baldige Abschwächung auf der Angebots- seite erwarten lässt. Die Situation auf den kommerziellen Immobilienmärkten gestaltet sich dagegen schwieriger, da hier die Auswirkungen der Wirtschafts- krise und die hohen Flächenauswei- tungen nicht wie auf dem Wohnungs- markt durch eine zusätzliche Nachfrageabgefedert werden.

Gesättigter Markt für Einfamilienhäuser

Die Anzeichen einer Marktsättigung verdichten sich im Einfamilienhaus- Segment. Die Anzahl der im letzten Jahr erteilten Baubewilligungen für Einfami- lienhäuser ist so tief wie seit Mitte der Siebzigerjahre nicht mehr. Der Anteil der Einfamilienhäuser an den Leerstän- den im Wohnungsmarkt hat sich in den letzten zehn Jahren praktisch verdoppelt, und die Preisentwicklung ist seit vier Quartalen konstant rückläufig. Offen- sichtlich steckt das freistehende Einfamilienhaus in der demografischen Falle: Die geburtenstarken Jahrgänge gelangen in ein Alter, in dem sie sich tendenziell vom Einfamilienhaus verabschieden. Hohe Preisniveaus und ein demodierter, das heisst den zeitgemässen Wohnbe- dürfnissen nicht mehr entsprechender Bestand sind weitere Gründe für die kon- tinuierlich wachsende Nachfragelücke in diesem Segment.

Der Büroflächenmarkt im Bann des Schweinezyklus

Dem Büroflächenmarkt steht 2010 erneut ein Jahr schwacher Nachfrage bevor. War die Zurückhaltung im letzten Jahr auf die Verunsicherung vieler Unternehmen zurückzuführen, wird der Büroflächen- markt im laufenden Jahr unter einem erwarteten Abbau von bis zu 9000 Ar- beitsstellen leiden. Die Nachfrageschwä- che fällt dabei mit einer kräftigen Ange- botsausweitung zusammen, stehen doch etliche in der Hochkonjunktur in Angriff genommenen Bauten vor der Vollendung. Aufgrund der langen Produktionszeit von kommerziellen Immobilien neigt der Büroflächenmarkt zu solchen ausgeprägt zyklischen Angebotsschwankungen. Die Investoren haben zwar rasch auf die Fi- nanzkrise reagiert, wie der Einbruch bei den Bewilligungen sowohl für Neu- wie auch für Umbauten im letzten Jahr zeigt. Ab 2012 dürfte der Markt denn auch durch ein bedeutend kleineres Ange- bot von Neuflächen stabilisiert werden. Bis dahin muss aber mit einem zuneh- menden Überangebot gerechnet werden, welches die Leerstände in den meisten regionalen Teilmärkten ansteigen lassen dürfte. Unter Druck geraten in erster Li- nie die Preise ausserhalb der grossen Bü- romärkte, wo das Angebot in letzter Zeit überdurchschnittlich stark zugenommen hat. Die Preise, die sich seit vier Jahren in einer Bandbreite von 205 bis 215 Fran- ken pro Quadratmeter und Jahr bewegen, dürften sich daher am unteren Rand die- ser Bandbreite orientieren. Die grossen Büromärkte ihrerseits sind von einer an- haltenden Konzentration der Arbeitsplät- ze auf grössere Arbeitsstätten geprägt. Dazu besteht innerhalb dieser Büroflä- chenmärkte eine Tendenz zur Dezentra- lisierung, die je nach regionalem Markt unterschiedlich ausgeprägt ist. Dies führt in einigen Märkten nicht nur zu einer konjunkturell bedingten höheren Ange- botsquote in den städtischen Randlagen, sondern auch zu einer grösseren Liqui- dität in den zentralen Geschäftsvierteln, die in der Studie erstmals für die grossen Schweizer Wirtschaftsregionen Zürich, Bern, Basel, Lausanne und Genf räum- lich abgegrenzt wurden.


Ausscheidungsrennen auf dem Verkaufsflächenmarkt

Der Detailhandel ist neben den be- kannten strukturellen nun auch wieder konjunkturellen Herausforderungen aus- gesetzt. Die Studie der Credit Suisse zeigt, dass sich ein verändertes Einkaufs- verhalten der Haushalte wiederum auf die Struktur des Verkaufsflächenmarktes auswirkt. Die hohe Flächenausweitung der letzten Jahre ist eine Konsequenz dieser Veränderungen, hinter der mäch- tige gesellschaftliche Trends wie zum Beispiel eine höhere Erwerbstätigkeit der Frauen, bessere Betreuungsange- bote für Kinder und immer zahlreichere, aber kleinere Haushalte stehen. Zwar werden gegenwärtig nur noch wenige Grossprojekte realisiert, doch die mas- sive Flächenausweitung der letzten Jahre ist noch längst nicht abgeschlossen. Das Ende der konjunkturellen Blütephase hat ihr erst die Spitze gebrochen. Die Flächenausweitung wirkt dabei wie ein Katalysator der Strukturbereinigung: Nicht mehr wettbewerbsfähige Läden werden aus dem Markt gedrängt. Ver- lierer dieser Flurbereinigung waren bis anhin in erster Linie Kleinformate und Fachdetailhändler im Food-Bereich. Die Rückkehr zu stagnierenden Detail- handelsumsätzen verschärft nun aber den Wettbewerbsdruck in der gesamten Branche, sodass das Ladensterben nicht mehr nur im Verborgenen ablaufen dürf- te. In der Gunst der Nachfrager standen dagegen grosse Verkaufsflächen ab einer Mindestgrösse von 1000 Quadratmetern sowie verkehrsgünstig gelegene Con- venience-Shops. Entscheidend ist die Lage: Je nach Standort gibt es auch viele Flächen, für welche die Nachfrage wei- terhin sehr robust ausfällt.
 

Vergleich Schweiz - USA

Das Ausmass der jetzigen Immobilienkrise in den USA ist durchaus mit der Immobilienkrise der frühen Neunzigerjahre in der Schweiz vergleichbar, und zwar sowohl was die Grössenordnungen betrifft als auch wie das ganze Kartenhaus entstand bzw. zusammenbrach: Die bisher angefallenen Verluste und Abschreibungen im Zuge der durch die Subprime-Krise in den USA ausgelösten weltweiten Finanzkrise belaufen sich auf etwa CHF 1800 Mrd. (CHF 1‘800‘000‘000‘000!). In der Schweiz wurden zwischen 1991 und 1996 gemäss Eidgenössischer Bankenkommission (EBK) im inländischen Kreditgeschäft rund CHF 42 Mrd. abgeschrieben, was auf den ersten Blick „bescheiden“ anmutet. Vergegenwärtigt man sich hingegen, dass in den USA etwa 40-mal so viele Menschen leben wie in der Schweiz, dann sind die Grössenordnungen der Schweizer Immobilienkrise epochal. Die ca. CHF 42 vernichteten Milliarden entsprechen hochgerechnet auf die Verhältnisse der USA rund CHF 1700 Mrd. Es bestehen aber nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Parallelen zwischen der Schweizer Immobilienkrise der Neunzigerjahre und der Subprime-Krise ab 2007. Fakten und Trends zu den Immobilienmärkten der 26 Schweizer Kantone sowie Auswertungen der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Immobilienmärkte der Schweiz sind wie die Hauptstudie online verfügbar unter www.credit-suisse.com/immobilienstudie.


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